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Plötzlich brach die Hölle herein

Für den Renaissancehof war es wieder einmal zu kühl, aber die Musiker des Musica Viva Orchesters Moskau um Alexander Rudin und der junge Klarinettensolist Sebastian Manz spielten mit einer Auswahl klassischer Werke den Sommer in die Schlosskirche.

Die Komponisten Johann Christian Bach, Carl Stamitz, Luigi Boccherini und Wolfgang Amadeus Mozart waren alle mehr oder weniger zeitgleich im europäischen Musikleben präsent. Dass jeder von ihnen dennoch seinen ganz eigenen Stil hatte und dass die sogenannte Klassik sehr variantenreich sein kann, war eine Erkenntnis dieses heiteren Konzertabends.

Gut aufgelegt und beschwingt interpretierten die Damen und Herren des Orchesters zu Beginn die Sinfonie G-Dur op.3, Nr. 6, des „Londoner Bach“. Die spritzige Artikulation des Ensembles, die schön gestalteten Melodien, griffige und doch transparente Musizierkunst passten ausgezeichnet zu diesem Werk im galanten Stil und zu einem sommerlichen Konzert.

Individueller und emotionaler kamen die beiden Sinfonien von Boccherini daher. Hier spürte man trotz der gängigen klassischen Formsprache südliches Temperament. Besonders die zweite in d-Moll, op.5, Nr. 4, mit dem Beinamen „La casa del diavolo“ machte ihrem Namen alle Ehre. Nach einem ruhig-düsteren, dann schnell in rasante Tempi wechselnden Beginn folgte ein hingetupftes Andante, bevor im Finale, ebenfalls nach einer langsamen Einleitung gewissermaßen die Hölle hereinbrach. Leidenschaftlich musizierend, mit energischem Zugriff und prägnanter Rhythmik machte Musica Viva aus dem Werk ein kraftvolles, mitreißendes Klanggemälde.

Ein großartiger, sympathischer Musiker war der 27-jährige Klarinettist Sebastian Manz. Gleich bei zwei Konzerten konnte man seine technischen und interpretatorischen Qualitäten bewundern. Beim Klarinettenkonzert Nr. 11 Es-Dur von Carl Stamitz wirkte er unbeschwert locker und trat mit der augenzwinkernden Unbekümmertheit eines Spielmanns auf. Schön ausgespielte Linien, fitzelige Verzierungen, perlende Tongirlanden gelangen ihm mühelos mit einer sehr natürlich wirkenden Musikalität.

Schönste Klangkultur entwickelte er auch im Schlusswerk des Abends, dem berühmten Klarinettenkonzert A-Dur, KV 622, vonMozart. Zart ließ er Melodien aufblühen, kraftvoll erklangen die beschwingten Themen in den schnellen Sätzen, entrückt wirkende Pianissimo-Reminiszenzen verzauberten die Hörer. Bei alldem machte der junge Künstler einen ausgesprochen entspannten und kein bisschen angestrengten oder gar aufgeregten Eindruck. Man hatte vielmehr das Gefühl, dass Sebastian Manz selbst den größten Spaß am Konzert hatte. Mit den Moskauer Musikern im Dialog entstand ein eindrucksvoller Hörgenuss.

Nach dem enthusiastischen Beifall erklang als Zugabe das Adagio KV 580a von Mozart, im Original für Klarinette und Bassetthörner komponiert, hier in einer Bearbeitung mit Streicherbegleitung.

Author(s): VON ANNEKE JUNG